Entlassung aus dem KZ und Zwangsverpflichtung zur Arbeit in der Landwirtschaft

entlassungsschein
Entlassungschein (Ausschnitt)

Im Juni 1943 erhielt Leopold Engleitner erneut das Angebot entlassen zu werden. Er rechnete zunächst damit, dass man ihn wieder einmal dazu überreden wollte seinen Glauben zu verleugnen. Doch der SS-Mann eröffnete ihm, dass er sich lediglich zur "lebenslangen Zwangsarbeit in der Landwirtschaft" verpflichten müsste, um aus dem KZ entlassen zu werden. Dies war die einzige Bedingung.

Engleitner unterschrieb und wurde am 15. Juli 1943 mit dem Befehl, sich am 16. Juli 1943, um 16 Uhr bei der Geheimen Staatspolizei in Linz zu melden, aus dem Lager Ravensbrück entlassen.

Mit 28 Kilogramm Körpergewicht kam er in seiner Heimat an. In der Heimat erfuhr er, dass sein Vater seit längerem bei verschiedenen Stellen urgiert hatte, um seine Freilassung zu erreichen. Dennoch erklärt dies nicht völlig, warum die verantwortlichen Stellen plötzlich bereit waren, Engleitner freizulassen ohne dass er sich "gebessert" hatte. Wie sollte er, der nach wie vor "hartnäckiger Bibelforscher" war, je vollwertiger Bestandteil eines "gesunden Volksstamms" werden?

unterberger
Franziska und Johann
Unterberger 1939

Die Erklärung dafür ist auf einer anderen Ebene zu suchen. Bereits zu Beginn des Jahres 1943 war dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler klar geworden, dass es in der Behandlung der Bibelforscher einer anderen Strategie bedurfte. In den meisten Fällen war ihr religiöser Widerstand selbst mit brutalster Behandlung nicht zu brechen. Himmler begann nun die "Bibelforscherfrage" mehr vom praktischen als vom ideologischen Standpunkt aus zu betrachten: "Ich ersuche, den Einsatz der Bibelforscher und Bibelforscherinnen in die Richtung zu lenken, dass sie alle in Arbeiten kommen - in der Landwirtschaft z. B. - , bei denen sie mit Krieg (…) nichts zu tun haben. Hierbei kann man sie bei richtigem Einsatz ohne Aufsicht lassen, sie werden nie weglaufen. Man kann ihnen selbständige Aufträge geben, sie werden die besten Verwalter und Arbeiter sein."

Engleitner wurde einem Bauernhof in seiner Heimat zugeteilt. Der Bauer Johann Unterberger bezahlte ihm sogar einen kleinen Lohn, obwohl er dazu nicht verpflichtet gewesen wäre. Leopold Engleitner war mit seiner Situation sehr zufrieden. Er hatte alles, was er benötigte und hoffte auf diese Weise das Kriegsende erleben zu können.

 
 

Zuletzt aktualisiert am 10. 1. 2017
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